Sie sind hypoxisch, kritisch, oft obstruktiv und haben keine Reserven. Wir alle kennen sie: die Patient*innen, die schon auf den ersten Blick nach dem Tubus schreien. Und diese Patient*innen sind genau die, die uns Albträume bereiten, die besonders schlecht zu oxygenieren, geschweige denn zu intubieren sind. Die fortgeschrittene Hypoxämie bzw. Hyperkapnie (unterschiedlicher Genese) ist in Kombination mit der dadurch einhergehenden Agitation und der Vigilanzminderung, der Hauptgrund, wieso solche Intubationen zu Albträumen werden. Die Präoxygenierung mit einer konventionellen Beutel-Masken-Beatmung ohne PEEP-Ventil erhöht die Sättigung bei diesen Patient*innen mit Rechts-Links-Shunt wahrscheinlich nicht. Wenn es dann noch Schwierigkeiten bei der Platzierung der First-Pass-Intubation gibt, werden die Patient*innen im Verlauf hämodynamisch instabil.

(KOBI= Ketamin Only Breathing Intubation ist nicht gleichzusetzen mit DSI!)

Dr. Scott Weingart hat sich mit diesen „Intubations-Albträumen“ und deren Präoxygenierung beschäftigt. Die Lösung für dieses Problem ist die „Delayed Sequence Intubation“.
„Eine Aufsättigung vor Intubation bei Patient*innen, die eine Notfallintubation benötigen aber eine Präoxygenierung nicht vertragen.“

Wie läuft eine DSI ab?

*1 Hinweis:  In der Studie dissoziierten die meisten Patient*innen zwischen 1-1,5mg/kgKG Ketamin. Der Wirkeintritt von Ketamin erfolgt unmittelbar nach der Verabreichung. Die Nebenwirkungen wie z.B. Hypersalivation sind dosisabhängig. Daher macht es Sinn mit niedrigeren Dosen zu starten. Dissoziiert der Patient mit der Initialdosis nicht, wird weiter in 0,5mg/kgKG-Schritten titriert. Eine Apnoe wird durch zu schnelle Bolusgaben provoziert.

*2 Hinweis: Weiteres Prozedere, wie das Platzieren einer Magensonde können in diesem Zeitraum ebenfalls erfolgen

Weingart hat 2014 eine prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie veröffentlicht, die Licht ins Dunkel bringen soll.

Methoden:

  • Stichprobenmäßig wurden Patient*innen in der Notaufnahme/ Intensivstation ausgewählt
  • Die Patient*innen erhielten Ketamin (dissoziative Dosen), die eine Präoxygenierung mit einer normalen High-Flow-Sauerstoff-Maske oder einer nichtinvasiven Überdruckbeatmung (NIV) ermöglichte:
    • Anfangsdosis 1mg/kgKG Ketamin (Racemat), gefolgt von 0,5mg/kgKG Schritten bis zur Dissoziation
    • Danach Versorgung in ≥30 Grad Oberkörperhochlage mit high flow Sauerstoff-Maske und -Brille
    • Ab einem SpO2 <95% Wechsel zu PEEP 5-15cmH₂O
  • Nach der Präoxygenierung wurden die Patienten relaxiert und intubiert.

Ergebnis:

  • 62 Teilnehmende
    • 19 DSI für konventioneller Sauerstoffmaske
    • 39 DSI für NIV
    • 4 DSI für Magensonde
  • Die Sättigung stieg im Durchschnitt um 8,9% (von 89,9% auf 98,8%)
  • 32 Teilnehmende wurden zuvor in Bezug auf eine Sättigungs-Depression als kritisch eingestuft (SpO2 ≤93%)
    • Bei allen Teilnehmenden erhöhte sich die Sättigung nach DSI
    • Bei 29 Teilnehmenden auf >93% SpO2
  • Es wurden keinerlei Komplikationen bei den Teilnehmenden beobachtet

Fazit:

  • Die DSI könnte eine Alternative zur RSI bei Patient*innen darstellen, die ein Notfall-Atemwegsmanagement benötigen und eine Präoxygenierung oder Peri-Intubationsverfahren nicht tolerieren
  • Primäres Outcome = Steigerung um durchschnittlich 8,9%
  • Sekundären Outcome = Steigerung der SpO2 auf >93%
  • In der Post-hoc-Analyse konnten zwei Patient*innen mit Asthma durch die DSI-Präoxygenierung so stabilisiert werden, dass eine Intubation vermieden werden konnte

Diskussion:

Bei dem Studiendesign handelt es sich um eine nicht kontrollierte und nicht verblindete Studie. Die Stichproben wurden daher möglicherweise voreingenommen ausgewählt. Die DSI wird von Ärzt*innen mit umfassender Erfahrung in der Sedierung mit Ketamin durchgeführt, daher entsprechen die Ergebnisse möglicherweise nicht den zu erwarteten Ergebnissen bei weniger erfahrenen Händen

Warum Ketamin?

Warum Ketamin das Mittel der Wahl ist, wie es wirkt und wieviel man wann verabreichen kann, haben wir für euch bereits in einem Blogbeitrag zusammengefasst. Wenn ihr darüber mehr erfahren wollt dann klickt einfach hier.

Solltet ihr euch im Einsatz nicht mehr sicher sein, wie die Dosierung von Esketamin für eine Dissoziation ist, könnt ihr diese in eurem „Schlag’s nach!“-Buch auf Seite 98 und 99 nachschauen.

CAVE: In der Studie und den Algorithmen wird von Ketamin gesprochen, weshalb hier mit 1mg/kgKG für eine Dissoziation gerechnet wird. Im „Schlag’s nach!“-Buch ist von Esketamin die Rede, dem gängigeren Medikament in Deutschland. Bei Esketamin muss die Dosierung halbiert werden, das heißt, es werden nur 0,5mg/kgKG für eine Dissoziation benötigt!

Quellen:

Categories:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner