Was macht Bluthochdruck mit unserem Körper? Wann ist ein hoher Blutdruck denn jetzt ein Notfall? Wann muss er gesenkt werden und wie?

Relevanz und Häufigkeit von arterieller Hypertonie

In Deutschland leiden ca. 32 % aller männlichen und 31 % aller weiblichen Erwachsenen an Bluthochduck. Bei einem Alter von ≥ 65 Jahren sind es 65 % und 64 %(1).

Arterielle Hypertonie ist vor allem mit zunehmendem Alter eine sehr häufige Erkrankung und hat eine große Auswirkung auf Mortalität und Morbidität(2).

Einteilung der Hypertoniegrade(1)

Was bewirkt arterielle Hypertonie und warum ist sie schlecht?

Die Gefäße des menschlichen Körpers sind mit einer glatten Schicht (Endothel) ausgekleidet. Dadurch kann das Blut ohne Turbulenzen strömen. Wird das Endothel beschädigt, kommt eine Struktur zum Vorschein, welche Thrombozyten aktiviert und die Gerinnung in Gang setzt um den „Schaden“ zu reparieren. Hohen Blutdruck kann man sich vorstellen wie einen reißenden Fluss, der die kanalisierten Wände durch die enorme Kraft des fließenden Wassers über einen längeren Zeitraum „abschabt“. Anfällig sind dafür vor allem dünne bzw. kleine Gefäße. Bemerkbar macht sich eine Schädigung vor allem in folgenden Organsystemen(2):

  • Herz (Koronarien),
  • Hirn,
  • Niere,
  • Augen und
  • Mesenterialarterien.

Die Folgen aus (unbehandeltem) Bluthochdruck sind Arteriosklerose mit Minderperfusion. Am Häufigsten sind:

  • Periphere Minderperfusion (Beine)
  • Koronare Herzkrankheit bzw. Herzinfarkt
  • Niereninsuffizienz durch glomeruläre Minderperfusion
  • Schlaganfall
  • Mesenterialischämie.

Zusätzlich kann es bei Schädigung der glomerulären Basalmembran zu Proteinurie kommen. Chronischer Bluthochdruck kann jedoch auch Blutungen (ICB, SAB, Auge (Retina)) verursachen. Auch große Arterien wie die Aorta sind betroffen: Aortendissektion oder die Ausbildung von Aneurysmen (Aorta, Hirn) sind möglich. Eine weitere kardiale Folge von arterieller Hypertonie ist die linksventrikuläre Hypertrophie(2). Die dauerhaft erhöhte Nachlast „zwingt“ das Herz zum Muskelaufbau um den Widerstand, der auf der Aortenklappe lastet, zu überwinden, um ein adäquates Schlagvolumen auszuwerfen.

Wie entsteht arterielle Hypertonie überhaupt?

Man unterscheidet in primäre und sekundäre Hypertonie. Die meisten Menschen (90%) leiden an primärer Hypertonie(2).

Die primäre Hypertonie induzierende Faktoren sind Stress, Übergewicht, Rauchen, zu hohe Kochsalzzufuhr oder Sensitivität gegenüber Kochsalz(2,3). Auch eine generelle Hypersensitivität gegenüber Katecholaminen oder eine höhere Noradrenalin-Ausschüttung können ursächlich sein. Die sekundäre Hypertonie kann weiter in

  • Renale Hypertonie
  • Hormonelle Hypertonie und
  • Sonstige Hypertonie unterteilt werden.

Die renale Hypertonie ist zum Beispiel eine Folge von Nierenerkrankungen wie Nierenarterienstenose. Tumore der Nebenniere (Phäochromozytom, Conn– oder Cushing-Syndrom) oder ein adrenogenitales Syndrom zählen zur hormonellen Hypertonie. Folge dieser Erkrankungen ist eine erhöhte Ausschüttung von Aldosteron, Cortisol oder Katecholaminen (Adrenalin, Noradrenalin). Weitere Ursachen sind Hyperthyreose oder häufig das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)(1,2).

Oben benannte Faktoren führen meistens zur Zunahme des Herzzeitvolumens (häufig: intravasales Volumen↑↑; selten HF↑) und/oder des peripheren Wiederstandes (Vasokonstriktion)(2).

Kommen zur arteriellen Hypertonie noch Adipositas, Diabetes Mellitus und Hypercholesterinämie dazu nennt man dies: metabolisches Syndrom(3).

Wie wird arterielle Hypertonie therapiert?

Neben der Therapie von auslösenden Erkrankungen bei sekundärer Hypertonie sollte ein gegebenenfalls riskanter Lebensstil geändert werden(1):

  • Nikotinkarenz
  • Alkoholkarenz
  • Ernährungsanpassung (Kochsalz)
  • Gewichtsreduktion
  • Bewegung (Sport)

Pharmaka

Es gibt eine Vielzahl an pharmakologischen Ansatzpunkten (siehe Tabelle unten). Die Auswahl der Initialtherapie erfolgt nach Klassifizierung des Hypertoniegrades, des kardiovaskulären Risikoprofiles und den Begleiterkrankungen/ Komorbiditäten. Das Ziel ist ein Blutdruck < 140/90 mmHg(1).

Medikamentenauswahl (1)

Fett: Primär

Normal: Sekundär (Kombination/Eskalation)

Sollte das Therapieziel trotz dualer Therapie nicht erreicht werden wird um einen 3. Wirkstoff ergänzt (idR. Thiazid-Diuretikum + ACEi/ ATIIb + Kalziumkanalblocker).

Therapieresistenter Blutdruck(1):

Anhaltende Hypertonie trotz maximaler Dosis in Dreifachkombination.

–> Kalium < 4,5 mmol/L + Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) > 45 ml/min/1,73m3 KOF?

Ja: + Spironolacton

Nein: + Alpha- oder Betablocker

Orale Antihypertensiva (Dauermedikation)(5)

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Hypertensive Entgleisung vs. Hypertensiver Notfall

SCAPE – sympathetic crashing acute pulmonary edema

Hypertensive Entgleisung

(1)

Empfehlung 7-12 besagt, dass in der bestehenden Therapiestufe Medikamente ausdosiert werden oder bei maximaler Dosierung ein weiteres dazu kommt. Danach ist eine ambulante Nachsorge und Kontrolle durch den/die Hausarzt:ärztin nötig.

Hypertensive Entgleisung mit akutem Endorganschaden – Hypertensiver Notfall

RR-Differenz R < L (20 mmHg) charakteristisch für Stanford Typ A mit Beteiligung der rechten A. brachiocephalica , nicht aber für Typ B.

Zusammenfassend:

  • Bluthochdruck schadet und muss behandelt werden da sonst chronische Organschäden entstehen.
  • Akut hohe Blutdruckwerte werden unterteilt in
    • Hypertensive Entgleisung (kein Anhalt auf Endorganschaden)
    • Hypertensiver Notfall (Anhalt auf Endorganschaden)
  • Beide müssen behandelt werden:
    • Hypertensive Entgleisung: Anpassung der oralen Medikation
    • Hypertensiver Notfall: intravenöse Senkung unter Beachtung der betroffen Organstruktur mit Pathologie, Einweisung und stationäre Aufnahme

Bei Anmerkungen oder Kritik gerne kommentieren!

FOAMed:

Quellen:

1.        Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationaler VersorgungsLeitlinie Hypertonie. 2023. (Langfassung). Report No.: Version 1.0.

2.        Silbernagl S, Lang F. Taschenatlas Pathophysiologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2020.

3.        Arastéh K, Baenkler H, Bieber C, Brandt R, Chatterjee T, Dill T, et al. Innere Medizin. Reihe D, editor. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2018.

4.        Yartsev A. https://derangedphysiology.com. 2015. Fundamental concepts in cardiovascular physiology.

5.        Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2020.

6.        Schlembach D, Stepan H. S2k-Leitlinie Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie [Internet]. 2019 Mar [cited 2023 Apr 3]. Available from: https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-018l_S2k_Diagnostik_Therapie_hypertensiver_Schwangerschaftserkrankungen_2019-07.pdf

7.        Nagel S, Köhrmann M, Huttner HB, Schwab S. Hypertensive Enzephalopathie. Nervenarzt. 2006 Apr;77(4):466–9.

8.        Agrawal N. Sympathetic crashing acute pulmonary edema. Indian Journal of Critical Care Medicine. 2016 Dec;20(12):719–23.

9.        Fandler M. https://nerdfallmedizin.blog/. 2019. Aortendissektion – brandgefährlich und gar nicht so selten….

10.      Ringleb P, Köhrmann M, Jansen O, et al. S2e Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls. 2022. (Version 1.1).

11.      Hauns A, Stiller K, Gierke S, Heiligers S, Feltus T. Time is brain – Was tun, wenn´s blutet? Elsevier Emergency. 2023 Jun;4(3):14–24.

12.      Ibanez B, James S, Agewall S, Antunes MJ, Bucciarelli-Ducci C, Bueno H, et al. 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J. 2018 Jan 7;39(2):119–77.

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